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Die, 05.09.

Aron Boks: Nackt in die DDR – Mein Urgroßonkel Willi Sitte und was die ganze Geschichte mit mir zu tun hat

Moderation: Mario Osterland

 

Willi Sitte – Künstler, überzeugter Kommunist, Funktionär, Machtmensch. Er gilt als einer der einflussreichsten und umstrittensten Maler der DDR. Aron Boks ist sein Urgroßneffe und hat sich bisher kaum für seinen berühmten Verwandten interessiert. Bis bei einem Familientreffen plötzlich ein Gemälde auftaucht: Die Heilige Familie. Aron, der die DDR selbst nicht mehr erlebt hat, beginnt, Fragen zu stellen: Wer war Willi Sitte wirklich, was trieb ihn an? Aron sammelt, fragt nach und fügt Ereignisse zusammen, die Willi Sitte auf seinem Lebensweg prägten. Zu den Zeitzeugen, mit denen er spricht, gehören neben Ingrid Sitte auch Wolf Biermann, Gerhard Wolf und Volker Braun.

 

Aron Boks wurde 1997 in Wernigerode geboren und lebt als Autor in Berlin. Er moderiert Poetry Slams u.a. Veranstaltungen und ist zusammen mit dem Musiker Jonathan Schmitz Begründer der Band „Das zappelnde Tanzorchester“. Er schreibt für die taz und die taz.FUTURZWEI-Kolumne „Stimme meiner Generation“. 2016 wurde er Stadt- und Landesmeister des Poetry-Slams Sachsen-Anhalt. 2019 erhielt er den Klopstock-Förderpreis für Neue Literatur.

 

„Eine Spurensuche, bei der Aron Erinnerungen von Zeitzeugen und aktuelle Ereignisse dokumentarisch miteinander verwebt. Dabei herausgekommen ist seine ganz eigene Geschichte. Eine großartige Annäherung an ein Land, das es nicht mehr gibt, aber unsere Gegenwart weiterhin prägt.“ Alexander Kluge

 

Die, 12.09.

Eckhart Nickel: Spitzweg

 

Der Roman erzählt uns am Anfang von einem Kunstbanausen, der von der Spitzweg-Begeisterung seines Freundes angesteckt wird. In der Mitte des Geschehens: eine Dreiecksbeziehung, ein hochbegabtes Mädchen und der verräterische Diebstahl eines Gemäldes. Durch raffinierte Rachepläne wird die Schülerfreundschaft auf ihre schwerste Probe gestellt. Eckhart Nickel erzählt die Geschichte einer Obsession und übt Kritik an der Bildvergötterung der sozial verwahrlosten Digitalgesellschaft und ihrer allmächtigen Instagrammatik. „Spitzweg“ landete 2022 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

 

Eckhart Nickel, 1966 in Frankfurt am Main geboren, studierte Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte in Heidelberg und New York, arbeitete beim Zeitgeist-Magazin Tempo, bei Arte und dem Magazin Architectural Digest. Von 2004 bis 2006 leitete er (von Kathmandu aus) zusammen mit Christian Kracht die Literaturzeitschrift "Der Freund". Heute schreibt er hauptsächlich für FAZ und FAS.

 

„Nickels Roman ist ein Flirt mit dem Biedermeier: So kostbare Konjunktive, so verschachtelte Satzkonstruktionen und längst außer Gebrauch geratenes Vokabular, kurz, so viel gespreizter Finger war selten in der deutschen Gegenwartsliteratur.“ (Die Zeit)

 

Mi, 13.09.

Reinhard Kaiser-Mühlecker: Wilderer

 

Der Autor erzählt die Geschichte eines jungen Bauern, der alternativlos und lebensmüde den Bauernhof der Familie führt. Als eine Künstlerin aus Salzburg in sein Leben tritt, scheint das Glück nah, doch stattdessen gerät er in eine Spirale von Tragödien. Der Autor kennt das Bauerndasein von innen und beschreibt mit einer unglaublichen Wucht die Sehnsucht Jakobs nach einem anderen Leben, die dunkle Seite des jungen Bauern, seinen Jähzorn, Hass und Hang zur Gewalttätigkeit. Der Text erzählt von Herkunft und existentieller Verlorenheit in einer Welt, die sich radikal wandelt.

 

Reinhard Kaiser-Mühlecker wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems geboren und wuchs in Eberstalzell, Oberösterreich, auf. Er studierte in Wien und betreibt eine Landwirtschaft. Der Roman »Fremde Seele, dunkler Wald« stand 2016 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. 2019 erschien der Roman »Enteignung«. Für sein Werk wurde Reinhard Kaiser-Mühlecker mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. »Wilderer« wurde für den Deutschen Buchpreis und den Österreichischen Buchpreis nominiert und mit dem Bayerischen Buchpreis 2022 ausgezeichnet. 

 

„Ich sehe es wirklich als eine Art Verpflichtung an, die Welt, die ich kenne, darzustellen, also erfahrbar zu machen – einem, der sie nicht kennt.“ Reinhard Kaiser-Mühlecker 

 

Do, 21.09.

Barbi Marković: Minihorror

 

In „Minihorror“ erzählt Barbi Marković die Geschichten von Mini und Miki und ihren Abenteuern im städtischen Alltag. Mini und Miki sind nicht von hier, aber sie bemühen sich, dazuzugehören und alles richtig zu machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – werden sie verfolgt von Gefahren und Monstern, von Katastrophen und Schwierigkeiten. Es geht um die großen und kleinen Albträume des Mittelstands, um den Horror des perfekten Familienfrühstücks, um Mobbing am Arbeitsplatz und den gescheiterten Urlaub, um den Abgrund, der sich im Alltag öffnet und nicht mehr schließen will. In „Minihorror“ setzt Barbi Marković den Angstarbeiter*innen unserer Gesellschaft ein Denkmal aus Perfidie und Mitgefühl, bei dessen Lektüre wir uns gleichermaßen ertappt und verstanden fühlen.

 

Barbi Marković, geboren 1980 in Belgrad, studierte Germanistik, lebt seit 2006 in Wien. 2009 machte Marković mit dem Thomas-Bernhard-Remix-Roman „Ausgehen“ Furore. 2016 erschien der Roman „Superheldinnen“, für den sie den Literaturpreis Alpha, den Förderpreis des Adelbert-von-Chamisso-Preises sowie 2019 den Priessnitz-Preis erhielt. 2017 las Barbi Marković  beim Bachmann-Wettbewerb. 2022 erhielt sie die Buchpremie der Stadt Wien für „Die verschissene Zeit“ und 2023 den Kunstpreis Berlin für Literatur. 

 

Die, 26.09.

Peter Wensierski: Jena-Paradies - Die letzte Reise des Matthias Domaschk

Moderation: Wieland Koch

 

Freitag, 10. April 1981: In Jena steigt der 23-jährige Matthias Domaschk in den Schnellzug nach Berlin. Er will zu einer Geburtstagsfeier. Doch er kommt nie an, denn der vollbesetzte Zug wird in Jüterbog gestoppt, Matthias und drei weitere Jenaer festgesetzt. Zwei Tage später ist er tot, nach einem Verhör in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt Gera. Was ist damals geschehen? Fesselnd erzählt Peter Wensierski das Drama der letzten Stunden im Leben eines jungen Mannes, der auf der Suche nach sich selbst und einer lebenswerten Gesellschaft ist.

 

Peter Wensierski, Jahrgang 1954, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Publizistik an der Freien Universität Berlin. Seit 1979 berichtete er als Journalist und Dokumentarfilmer aus der DDR. Von 1986 bis 1993 war er Fernsehjournalist bei der ARD, arbeitete für das Magazin Kontraste, ab 1993 beim Spiegel. Wensierski wurde ausgezeichnet mit dem Bundesfilmpreis, dem Europäischen Fernsehpreis und dem Bundesverdienstkreuz. Mehrere Buchveröffentlichungen, darunter „Von oben nach unten wächst gar nichts“ (1986), „Schläge im Namen des Herrn“ (2006), „Die verbotene Reise“ (2014), „Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ (2017), „Berlin – Stadt der Revolte“ (mit Michael Sontheimer, 2018).

 

Eine Kooperation mit der Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen

 

Mi, 27.09.

Jan Faktor: Trottel

 

Die Geschichte beginnt in Prag, nach dem sowjetischen Einmarsch. Der Jungtrottel studiert Informatik, hält aber nicht lange durch. Er macht erste Erfahrungen mit der Liebe, langweilt sich in einem Büro für Lügenstatistiken und fährt schließlich Armeebrötchen aus. Nach einer denkwürdigen Begegnung mit der „Teutonenhorde“, zu der auch seine spätere Frau gehört, „emigriert“ er nach Ostberlin, taucht ein in die schräge, politische Undergroundszene vom Prenzlauer Berg, gründet eine Familie, wundert sich über die „ideologisch morphinisierte“ DDR, die Wende und entdeckt schließlich seine Leidenschaft für Rammstein.

 

Jan Faktor wurde 1951 in Prag geboren. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings lebte er zwei Jahre in der Hohen Tatra und arbeitete ab 1973 als Programmierer an einem Prager Rechenzentrum. Jan Faktor heiratete die Autorin und Psychoanalytikerin Annette Simon, eine Tochter Christa Wolfs. Beide zogen 1978 nach Ostberlin, wo er als Schlosser, Kindergärtner und Übersetzer arbeitete. Er engagierte sich frühzeitig in der Untergrund-Literaturszene Ostberlins. Im Wendejahr 1989 war er Mitarbeiter des Rundbriefs des Neuen Forum, später Mitarbeiter der Zeitung "Die Andere". 2005 erhielt er den Alfred-Döblin-Preis. Der Roman „Trottel“ landete auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2022 und erhielt den Wilhelm Raabe-Literaturpreis.

 

Mo, 16.10.

Gianna Molinari: Hinter der Hecke die Welt

 

Ein Dorf hat Angst vor dem Verschwinden. Deshalb trifft es Maßnahmen: Die bei den Touristinnen und Touristen beliebte Hecke wird gehegt und gepflegt, der Stand der Dorfkasse wird regelmäßig überprüft. Vor allem aber kümmert man sich um Pina und Lobo, denn die Kinder sind die Zukunft des Dorfes. Doch Pina und Lobo wachsen schon lange nicht mehr. Während das Dorf auf die Wachstumsschübe der Kinder wartet, beobachtet Pinas Mutter in der Arktis, wie das Eis schmilzt und Grenzen sich verschieben. Nach ihrem gefeierten Debüt legt Gianna Molinari erneut ein eindrucksvolles Porträt über die wechselseitige Durchdringung von Natur und Kultur vor, einen Roman, der unsere Vorstellungen von Wachstum und Stillstand hinterfragt und dabei ebenso viel poetische wie politische Kraft entfaltet. 

 

Gianna Molinari wurde 1988 in Basel geboren und lebt in Zürich. Sie studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut und Neuere Deutsche Literatur an der Universität Lausanne. Für einen Auszug aus ihrem ersten Roman erhielt sie den 3sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2017. Ihr Debütroman „Hier ist noch alles möglich“ war ein großer Erfolg, wurde für das Theater adaptiert, erhielt den Robert-Walser- und den Clemens-Brentano-Preis und war für den Deutschen und den Schweizer Buchpreis nominiert. 

 

Fr, 20.10.

Sabrina Janesch: Sibir

Moderation: Wieland Koch

 

Furchterregend klingt das Wort, das der zehnjährige Josef Ambacher aufschnappt: Sibirien. Die Erwachsenen verwenden es für alles, was im fernen, fremden Osten liegt. Dorthin werden 1945 Hunderttausende deutscher Zivilisten von der Sowjetarmee verschleppt, unter ihnen auch Josef. In Kasachstan angekommen, findet er sich in einer harten, aber auch wundersamen, mythenvollen Welt wieder – und er lernt, sich gegen die Steppe und ihre Vorspiegelungen zu behaupten. Als 1990 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Woge von Aussiedlern eine niedersächsische Kleinstadt erreicht, wird Josef Ambacher mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Seine Tochter Leila steht zwischen den Welten und muss vermitteln.

 

Sabrina Janesch, geboren 1985 im niedersächsischen Gifhorn, studierte Kulturjournalismus in Hildesheim und Polonistik in Krakau. 2010 erschien ihr Romandebüt „Katzenberge“, das u.a. mit dem Mara-Cassens-Preis und dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde. Über ihren Roman „Die goldene Stadt“ (2017), der zum Bestseller wurde, schrieb Sten Nadolny: „Makellos geschrieben, fesselnde Figuren, Reichtum, wohin man sieht – plastisch, farbig und unvergesslich.“ Sabrina Janesch war Stipendiatin des Ledig House, New York und Stadtschreiberin von Danzig.

 

Eine Kooperation mit der Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen

 

Do, 26.10.

Helena Adler: Fretten

 

Dem Elternhaus ist sie mit knapper Not entkommen, da bemerkt die jüngste Tochter des Pleitebauern: Der Provinz entkommt man nicht. Sie schließt sich einer Bande von Vandalen und Störenfrieden an, die die Provinz in die nahe Stadt tragen. Sie tanzen, wüten und spielen mit ihren Leben. In Helena Adlers neuem Roman „Fretten“ ist das Landleben alles andere als pittoresk. „Fretten – das bedeutet so etwas wie ‚sich wund reiben, sich mühevoll abplagen‘. Ich denke, das passt ganz gut zu unserer Zeit und auch zu meinem Leben.“ (Helena Adler). Eine Erklärung für dieses Plagen und die teilweise harte Gangart in den Familien auf dem Land sieht die Autorin in der Geschichte der älteren Generationen. Adler beschreibt eine Sprachlosigkeit, dessen Wurzeln sie in historischen Traumata sieht. Der Roman ist eine Mischung aus Lebensanklage und Liebeserklärung, gezeugt im Rausch der Verewigungssucht, im heiligen Zorn auf die Existenz und den Tod. Er nennt beim Namen, was einen Namen hat, und zwar nicht zwischen den Zeilen, sondern Schwarz auf Schwarz, mit Sprachgewalt und einem Galgenhumor, dass einem die Luft wegbleibt.

 

Helena Adler, geboren 1983 in Oberndorf bei Salzburg, studierte Malerei am Mozarteum sowie Psychologie und Philosophie an der Universität Salzburg. Sie lebt als Autorin und Künstlerin in der Nähe von Salzburg. Helena Adler kam sowohl mit „Die Infantin trägt den Scheitel links“ (2020) wie auch mit „Fretten“ (2022) auf die Shortlist für den Österreichischen Buchpreis. 

 

Fr, 27.10.

Verena Roßbacher: Mon Chéri und unsere demolierten Seelen

 

Wie gestaltet man sein Leben, wenn man zwei linke Hände, eine demolierte Seele und jede Menge Probleme hat? Mit unverbrüchlichem Optimismus und irre gut gelaunt strauchelt Charly Benz seit 43 Jahren durch ihr Leben. Sie arbeitet im Marketing einer Berliner Foodcompany, ernährt sich von angebrannten Croissants und bespricht ihre Beziehungsprobleme – die darin bestehen, dass sie keine Beziehung hat – mit ihrem einzigen Freund: Herrn Schabowski, einem sechzigjährigen Mann, der ihre Post und Ängste sortiert. Doch als dieser eine tödliche Diagnose erhält, ihr erster Versuch einer systemischen Familienaufstellung in einem Debakel endet und plötzlich gleich drei Männer ihr Leben gehörig durcheinanderbringen, verlässt Charly allumfassend der Mut. Den sollte sie schleunigst wiederfinden, sie ist nämlich schwanger. Sie und Schabowski beschließen, ihre Probleme proaktiv anzugehen: Sie flüchten, und zwar nach Bad Gastein, einen ehemals mondänen Kurort im Südwesten Österreichs.

 

Verena Roßbacher, geboren 1979 in Bludenz/Vorarlberg, aufgewachsen in Österreich und der Schweiz, studierte einige Semester Philosophie, Germanistik und Theologie in Zürich, dann am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Für ihren vierten Roman „Mon Chéri und unsere demolierten Seelen“ erhielt sie im Herbst 2022 den Österreichischen Buchpreis.

 

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